Wenn sein umgebautes Auto fertig und die Aufregung der ersten Arbeitstage sich etwas gelegt hat, dann will er auf jeden Fall einmal zu Besuch kommen. Denn das Berufsbildungswerk Neuwied ist ihm doch irgendwie ans Herz gewachsen in den vergangenen 4 Jahren. Enrico Dietermann denkt gern an seine Zeit im BBW zurück – freut sich jetzt aber auf die neuen Herausforderungen. Der 23-Jährige beginnt am 1. August seine Tätigkeit als Kaufmann für Büromanagement in einer Orthopädie-Firma in Dillenburg. Auftragsannahmen, Terminabsprachen mit Kunden und allgemeine Anfragen: Enrico freut sich auf die kommenden Aufgaben. Der direkte Kontakt und das Gespräch mit den Kunden liegen ihm. Sein freundlicher Umgang und seine zuverlässige Arbeitsweise sind seine Stärken.
Stärken, die der junge Mann erst einmal selbst entdecken musste. „Nach meinem Realschulabschluss habe ich keinen Ausbildungsplatz gefunden. Einige Unternehmen haben sich gar nicht zurückgemeldet, bei anderen hat es dann nicht gepasst“, berichtet Enrico. Eine Bewerbung scheiterte tatsächlich am fehlenden Aufzug im Gebäude. Enrico ist seit seiner Geburt ab Höhe des Bauchnabels an gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Die Spinia Bifida hält ihn aber nicht davon ab, seine Ziele weiter zu verfolgen: Nach einem weiteren Jahr in der Schule beginnt der damals 19-Jährige eine Ausbildung in einem mittelständischen Unternehmen, findet aber keinen richtigen Start, wie er selbst sagt. Nach der Probezeit wird ihm gekündigt und Enrico spricht mit seiner Reha-Beraterin zum ersten Mal über die Möglichkeit eines Berufsbildungswerkes. „Ich habe mir drei BBW angeschaut und in Neuwied hat einfach viel gepasst: Die Nähe nach Hause, die Möglichkeit, in einer christlichen Gemeinde aktiv zu sein und die nette Atmosphäre.“ Im Sommer 2019 bezieht Enrico seine kleine Wohnung im BBW und startet eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme.
„Menschen wie Enrico eine Orientierung zu geben, ist eine unserer Stärken im BBW Neuwied. Wir haben ein großes Angebot im Bereich der berufsvorbereitenden Maßnahmen, um die jungen Leute in unserem Haus dabei zu unterstützen, ihre eigenen Talente erst einmal zu entdecken. Wir finden gemeinsam raus, was ihnen wirklich Spaß macht und schauen dann, welche Fähigkeiten benötigt werden. Dabei unterstützen wir von der Berufsfindung bis zum Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt“, berichtet Kurt Wölwer vom BBW Neuwied. Die eigene Fahrschule im Heinrich-Haus ist sicher auch ein Argument für junge Menschen mit Behinderung, ihre Ausbildung hier zu absolvieren. Enrico Dietermann hat im speziell für Rollstuhlfahrer eingerichteten Auto seinen Führerschein gemacht und fühlt sich seitdem noch ein Stück eigenständiger.
Nach der Berufsvorbereitung läuft es für Enrico dann auch wie am Schnürchen: Die Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement absolviert er ohne Probleme. Besonders viel Spaß machen ihm die Stationen in den klassischen kaufmännischen Bereichen und im Servicebüro des BBW. Mit Menschen sprechen, ihnen weiterhelfen, Lösungen finden: das kann Enrico gut. „Meine Noten sind nicht immer hervorragend. Ich bin kein Überflieger. Aber ich habe herausgefunden, dass im Berufsleben nicht nur die Noten wichtig sind“, sagt der 23-Jährige.
Für den Start in dieses neue Berufsleben ist ihm jetzt auch erst einmal der Umbau des eigenen Autos wichtig. Enrico will weiter eigenständig leben und seinen Weg einschlagen. Und wenn neben dem neuen Job mal Zeit ist, würde er gern mal wieder Skifahren oder im Segelflieger in die Luft steigen – Enrico Dietermann hat noch viel vor! Wir wünschen unserem ehemaligen Auszubildenden und Kollegen alles Gute. Und wir freuen uns auf ein Wiedersehen – das neue Auto wollen wir doch auch unbedingt mal sehen!
Bild: Aktion Mensch.
Enrico Dietermann hat im Berufsbildungswerk Neuwied seinen Führerschein in einem von der Aktion Mensch geförderten Auto gemacht.
